Wie Banken Ihren Jahresabschluss beäugen ist entscheidend dafür, ob Sie weiteren Kredit erhalten werden oder nicht. Denn der Jahresabschluss (oft auch nur als „Bilanz“ bezeichnet) ist eine der wichtigsten Informationsquellen, wenn Kreditgeber die Bonität ihrer Kunden einschätzen. Bedenken Sie: In den Ratingsystemen der Kreditinstitute gehen die Ergebnisse der Zahlenanalyse der Vergangenheit (also die Analyse der Jahresabschlüsse) immer noch mit ca. 60 % Gewichtung in die Ratingnote ein. Darum ist es wichtig, dass
- Ihr Jahresabschluss frühzeitig vorliegt,
- Sie Ihre Bewertungsentscheidungen beim Aufstellen des Jahresabschluss bewusst treffen.
Natürlich sollten Sie dabei wissen, worauf Kreditgeber insbesondere schauen.
Frühzeitig heißt: Im 1. Halbjahr des Folgejahres
Das mag für viele Unternehmen als nicht realistisch erscheinen, weil die Praxis heute vielleicht eine andere ist. Es ist aber die Vorgabe des Gesetzgebers. Und aus Bankensicht gilt: Kreditentscheidungen werden am liebsten auf der Basis endgültiger Zahlen getroffen. Also auf Basis des Jahresabschlusses. Und möglichst nicht auf Basis einer Dezember-BWA des Vorjahres, der Aussagefähigkeit und damit Genauigkeit eine Bank im Zweifel nicht beurteilen kann (und will). Jedes Unternehmen kann diese Frist organisatorisch einhalten. Vielleicht muss man gemeinsam mit der Steuerberatungskanzlei Abläufe ändern!? Nutzen Sie dafür die Checkliste „Erstellung“ auf www.jahresabschluss-check.de.
Der Blick auf mögliche Risiken: Ihr Umlaufvermögen
Wie Banken Ihren Jahresabschluss beäugen ist eine Folge ihrer Risikosicht. Ihr Blick richtet sich auf die aus Kreditgebersicht risikoträchtigsten Bilanzpositionen; diese liegen auf der Aktivseite der Bilanz im Umlaufvermögen:
- Bestände an Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen
- Warenlager
- Halbfertige und Fertige Arbeiten
- Forderungen gegenüber Kunden
Je höher diese Bestände sind (in Euro und in % der Bilanzsumme), desto mehr hinterfragen Kreditgeber, wie das Unternehmen diese Bestände ermittelt und bewertet hat. Und genau dort liegen auch Ihre Bewertungsentscheidungen als Unternehmer – denn das Handelsgesetzbuch (HGB) räumt Ihnen Bewertungsspielräume ein. Für Kreditgeber ist wichtig: Sie bewerten konservativ, d.h. Sie haben alle möglichen Risiken berücksichtigt und weisen diese Bestände daher möglichst niedrig aus.
Der Blick auf die Haftungsmasse: Ihr Eigenkapital
Eine Ihrer unternehmerischen Bewertungsentscheidungen ist die Ausstattung des Unternehmens mit Eigenkapital. Wenn Banken Ihren Jahresabschluss beäugen richtet sich der Blick besonders auf das Eigenkapital: Auf der Passivseite der Bilanz steht als erste Position das Eigenkapital, das Sie Ihrem Unternehmen zur Verfügung stellen. Für Kreditgeber ist das Eigenkapital die potenzielle Haftungsmasse oder auch das Verlustdeckungspotenzial. Eigenkapital wird reduziert durch:
- in allen Rechtsformen durch Verluste
- in Einzelunternehmen oder einer Personengesellschaften auch, wenn die Inhaber / Gesellschafter Privatentnahmen tätigen, die höher sind als der Jahresüberschuss in diesem Jahr.
Kreditgeber schauen auf den absoluten Betrag des Eigenkapitals und auf die Kennzahl Eigenkapitalquote. Diese Kennzahl rechnet sich wie folgt: Eigenkapital x 100 / Bilanzsumme. Ergebnis: Zu welchem Anteil wird die Bilanzsumme mit Eigenkapital gedeckt oder finanziert. In den Ratingsystemen führt in der Regel eine Kennzahl von 20% und mehr zu einer positiven Einschätzung. Bei geringeren Eigenkapitalquoten bedeutet dies natürlich: Der Blick wird zunehmend skeptischer. Und weitere Kredite werden zunehmend kritischer geprüft.
Also nehmen Sie den Taschenrechner zur Hand! Sollte die Eigenkapitalquote in Ihrem Unternehmen unter 20 % liegen, dann können Sie diese durch zwei Aktivitäten erhöhen: Mehr Eigenkapital zuführen und / oder die Bilanzsumme durch geeignete Maßnahmen (z.B. stringentes Mahnwesen und damit geringere Forderungen gegenüber Kunden) reduzieren.
Der verbindende Blick: Risiken versus Eigenkapital
Kreditgeber haben jetzt folgende Überlegung, die ich an einem Beispiel deutlich machen möchte:
Beispiel-Unternehmen: Eine GmbH aus der Branche Handel mit folgenden Zahlen im Jahresabschluss 2023:
- Eigenkapitel: € 25.000 (also „nur“ das Mindeststammkapital gemäß GmbH-Gesetz)
- Warenbestand: € 215.000
- Kundenforderungen: € 113.000
Wenn der Kreditgeber jetzt unterstellt, dass im Warenbestand und in den Kundenforderungen nur jeweils 10 % Risiken lägen (also tendenziell zu hohe Bewertungen), dann ergäbe das einen potenziellen Risikobetrag von € 32.800. Würden diese Risiken eintreten, also schlagend werden, dann wäre das Eigenkapital der GmbH bereits vollständig aufgebraucht. Die Haftungsmasse wäre aus Kreditgebersicht also sehr (zu) gering. Das zeigt im Übrigen auch die Eigenkapitalquote: Bei einer unterstellten Bilanzsumme von z.B. € 408.000 betrüge diese lediglich 6,1 %.
Spannend ist dann natürlich noch die Frage nach der Ertragskraft dieser GmbH – also nach dem Jahresüberschuss in der Gewinn- und Verlustrechnung. Da das Eigenkapital nur aus dem Stammkapital von € 25.000 besteht, wurden in der Vergangenheit erwirtschaftete Gewinne also jeweils an die Gesellschafter ausgeschüttet.
Aus meiner Sicht hätte diese GmbH dringenden Nachdenk- und Handlungsbedarf mit Blick auf Bilanzpolitik und Finanzierungsstrategie.
Sie möchten das Thema vertiefen
Wenn Sie weiter in die Tiefe gehen möchten:
- Lesen Sie Kapitel 4.1 in meinem Buch „Mit Kreditgebern auf Augenhöhe verhandeln“
- Machen Sie für Ihren aktuell vorliegenden Jahresabschluss den „kmu-bilanz-check“
- Beginnen Sie mit der Vorbereitung Ihres Jahresabschluss immer bereits im Herbst mit Blick auf Ihre Bewertungsentscheidungen – und nutzen Sie dafür die Checkliste „Vorbereitung“ auf www.jahresabschluss-check.de
- Frischen Sie Ihr Wissen auf und ergänzen es: Nutzen Sie Seminare zum Thema
Fragen zur Umsetzung in Ihrem Unternehmen
Sie möchten sich zur Umsetzung für Ihr Unternehmen austauschen, haben Fragen dazu – dann rufen Sie mich einfach an (02131-660413) oder nutzen Sie den E-Mail-Kontakt (info@cd-sander.de). Ich freue mich auf einen ersten unverbindlichen Austausch mit Ihnen.